Pünktlich zum Beginn der Heizperiode im Oktober und den wieder steigenden Preisen fossiler Energieträger öffneten sich unter dem Slogan www.wärmewende-oberland.de auch in Seeshaupt die Heizungskellertüre in der Pettenkoferallee 8. An drei Sonntagen im Oktober und November kamen insgesamt 25 Interessent*innen und konnten zahlreiche Überlegungen und Erfahrungen aus der energetischen Althaussanierung mitnehmen.
1900 vom italienischen Baumeister Del Fabbro erbaut, mit massiven bis zu 50 cm dicken, aber gut wärmeleitenden Außenwänden ist das Objekt nicht als Energiesparvorzeigeobjekt prädestiniert. Da den Eigentümern aber nicht nur in ihrem eigenen Passiv-Holz-Haus Seeshaupt der kleine ökologische Fußabdruck wichtig ist, wird immer, wenn es ansteht auch im „Alten Haus“ das mögliche energetische Optimum gesucht. Als die Balkontüren zur Erneuerung anstanden, wurden die neuen in Passivhausqualität mit einem U-Wert von 0,7 W/m²K eingebaut. Den schaffen diese durch einen Glasverbund mit wenig Wärmeleitung, einen gut überdämmten Glaseinstand, Edelgasfüllung zwischen den drei Scheiben und gedämmte Rahmen. Damit sind diese dann schon mal erheblich besser, als die Vollziegelwand mit einem U-Wert von 1 bis 1,48. Und auch die Kellerdecke und die oberste Geschossdecke erhielten die höchstmögliche Dämmstärke und erreichen U-Werte von 0,14 bzw. 0,1 und stehen damit in diesem Punkt einem Passivhaus in Nichts nach.
Gut gedämmt ist halb gewonnen, denn Heizen ist kein Selbstzweck, sondern eine Maßnahme, um es behaglich zu haben. Auf dem Weg zur neuen Heizung (statt Einzelöfen mit zentraler Ölversorgung) stand als nächstes die Berechnung des aktuellen und des mit weiteren Optimierungen realistischen Heizwärmebedarfs an. So wird eine ineffiziente Kesseldimensionierung vermieden. Der Pellet-Brennwertkessel Condens_e eines namhaften österreichischen Pelletkesselherstellers ist über acht Kilowatt modulierbar und kann an den Leistungsbedarf des Hauses optimal angepasst werden.
Über einen wassergefüllten Pufferspeicher, der die Energie aus dem Kessel und in Zukunft auch aus einer Solarthermieanlage aufbewahrt, wird neben Warmwasser auch die Flächenheizung versorgt. Erstaunt hat die Besucher, wie wenig Platz der Ofen braucht (0,75 m²), dass die Holzpellets auf derselben Fläche gelagert werden können wie vorher das Öl. Dies bewerkstelligt ein sich ausdehnender und zusammenziehender Gewebesack, der den Raum bestmöglich nutzt und einen schiefen Schüttboden überflüssig macht. Phänomenal ist auch die geringe Menge Asche, die bei sieben Tonnen Holzpellets anfallen und die niedrige Abgastemperatur.
Da die Fehlböden nicht um eine Fußbodenheizung erhöht werden konnten, wird die größte bislang ungenutzte Fläche zur Heizung genutzt: Dazu wurde die gesamte sanierungsbedürftige Decke abgehängt und mit wasserführenden Heizröhrchen versehen. Die häufigste Frage dazu lautet: „Warme Luft steigt doch auf.“ Trotzdem erfriert in einer Wohnung mit Deckenheizung niemand, da Wärme auch von oben nach unten strahlt. Und wem der Kopf zu heiß wird, der kann ja einen Sonnenhut aufsetzen. Dank der niedrigen Vorlauftemperatur kommt dies jedoch nicht vor.
Die Lösung mit Holz-Pellet statt Öl ist in der Investition im Preis etwas höher. Dies wird zum einen durch eine Investitionsförderung aufgefangen, außerdem waren die laufenden Energiekosten je gekaufter Kilowattstunde in den letzten Jahren immer ein Drittel günstiger und gleichen diesen vermeintlichen Nachteil aus.
Ganz nebenbei konnten die in Kleingruppen in den Heizungskeller absteigenden Gäste auch noch eine Taupunktlüftung erleben. Diese entlüftet und entfeuchtet den alten Keller, wenn es Sinn macht: Immer dann, wenn die Luftfeuchte außen niedriger ist als im Keller, damit nicht feuchte Luft im kühleren Keller ihr Wasser abgibt, sondern trockene Außenluft die Kellerfeuchte mitnimmt.
Alles in allem konnten die Besucher feststellen: Energetisch besseres Handeln ist möglich, denn die reinste Form des Wahnsinns wäre es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
Dies war ein Beitrag zur Wärmewende im Pfaffenwinkel. Aber in Seeshaupt gibt es weitere innovative Lösungen für eine energetische Wende zum Besseren, zum Beispiel ein Blockheizkraftwerk, eine Kleinst-Wärme-Kopplung im Einfamilienhaus, diverse Varianten von Wärmepumpen, … mehr dazu demnächst hier.