Seit Jahrzehnten wünschen sich die Seeshaupter*innen eine lebenswerte Dorfstraße mit niedriger Höchstgeschwindigkeit und ohne die schwere Last von schnellem Verkehr auf der Hauptstraße. Doch alle Initiativen von Ortsgestaltungsverein, Dorfentwicklung, Gemeinderäten und vielen engagierten Bürger*innen bissen sich bislang die Zähne aus. Die aktuellen Möglichkeiten im Rahmen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Verwaltungvorschriften zur StVO (VwV-StVO) sowie die artikulierten und insgeheimen Vorgaben des bayerischen Innenministers verhindern bislang eine generelle Reduzierung auf der Staatsstraße im Ort. Hier sind die klassichen Möglichkeiten der Gemeinde und der Bürger ausgereizt.
Aber es naht Hoffnung: Im Sommer letzten Jahres haben sieben Städte die Initiative Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten – Eine neue kommunale Initiative für stadtverträglichen Verkehr gegründet. Bis 8. Dezember war die Zahl der unterstützenden Städte und Gemeinden auf 70 angewachsen. Denn viele Städte und Gemeinden in Deutschland stehen beim Thema Mobilität und Verkehr vor großen Herausforderungen. Eine stadt- und umweltverträgliche Gestaltung der Mobilität ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen.
Lebendige, attraktive Kommunen brauchen lebenswerte öffentliche Räume. Gerade die Straßen und Plätze mit ihren vielfältigen Funktionen sind das Aushängeschild, das Gesicht der Städte und Gemeinden. Sie prägen Lebensqualität. Diesen Anspruch mit den Mobilitäts-, Erreichbarkeits- und Teilhabeerfordernissen von Menschen und Wirtschaft zu vereinbaren, ist eine zentrale Aufgabe.
Und so fordert die Inititative: Die Städte und Gemeinden brauchen einen neuen straßenverkehrsrechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten – auch für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und ggf. auch stadtweit als neue Regelhöchstgeschwindigkeit.
Mit dabei sind schon Pullach, Miesbach, Murnau, Wolfratshausen und viele andere kleine, verkehrsgeplagte Gemeinden neben den großen Städten. Und mit dem einstimmigen Beschluss des Seeshaupter Gemeinderats vom 8. Februar 2022 ist die Zahl der Gemeinden auf 84 gestiegen und täglich kommen weitere dazu.
Die Unterstützung ist kostenfrei, an keine weiteren Bedingungen geknüpft und verpflichtet die Gemeinde nicht, zwingend eine Höchstgeschwindigkeit anzuordnen. Die Unterzeichnung dieser Initiative macht trotzdem deutlich, dass es Seeshaupt nach wie vor ernst ist, einen möglichst ruhige, lebenswerten Ortskern zu gestalten. Damit wir auch morgen noch genüsslich vor dem (Eis-)Kaffee sitzen können.
Und auch wenn manche meinen, Papier sei geduldig, so keimt bei den um menschenfreundliche Mobilität Bemühten die Hoffnung Gehör zu finden. Denn die Zeichen stehen gut, meinte der neue Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing am 13. Januar doch so treffend: „Die Kommunen vor Ort wissen am besten, was für ihre Bewohner gut ist.“
Und hier noch zwei Karten von https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/kommunen-fuer-tempo-30/